Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie: Das dicke Ende kommt noch!

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Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie: Das dicke Ende kommt noch!

In Sachen Liquiditätsentwicklung gehen die Uhren der Zahnarztpraxen nach.

Die zahnärztliche Leistungserbringung ist seit Mitte März und in weiten Teilen des Aprils im Schnitt um ca. 35-50% zurückgegangen, wobei einzelne Praxen phasenweise Rückgänge von bis zu 90% verzeichneten. Zwar hat sich im Rahmen der schrittweisen Lockerungen der Kontaktverbote die Leistungserbringung der Praxen ab Ende April erholt, sie bleibt jedoch aktuell auf einem reduzierten Niveau.

Allein durch die bisher nicht erfolgten Behandlungen seit Start der Krise haben Deutschlands Zahnarztpraxen nach unserer Schätzung folglich einen Umsatzverlust in Höhe von ca. 1 Milliarde Euro erlitten. Sollte es zu einer zweiten Pandemiewelle im Herbst kommen, wären ähnliche Effekt zu erwarten. Da außerdem nicht davon auszugehen ist, dass die Leistungserbringung mittelfristig vollständig auf Vorkrisenniveau zurückkehrt, wird diese Zahl im Jahresverlauf in jedem Fall weiter ansteigen.

Von all diesen Effekten wird die Zahnärzteschaft aufgrund der zeitlichen Verschiebungen zwischen Leistungserbringung und Geldzufluss nur mit erheblicher Verzögerung etwas auf den Girokonten mitbekommen. Das ist zum einen darin begründet, dass Privatanteile von den Patienten im Schnitt erst mit einem Verzug von 4 bis 6 Wochen nach Leistungserbringung bezahlt werden. In Krisensituationen wie der jetzigen kann hier außerdem von einer Verschlechterung der Zahlungsmoral und entsprechenden Zahlungsverzögerungen und -ausfällen ausgegangen werden. Zum anderen erfolgt die Auszahlung der Kassenanteile durch die quartalsweise Abrechnung von KCH-/KFO-Leistungen sowie durch die monatlich nachträgliche Abrechnung der anderen Leistungen ebenfalls mit einem durchschnittlichen zeitlichen Verzug von ca. 12 Wochen für KCH/KFO und ca. 7 Wochen für alle anderen Leistungsarten.

Da sich dieser Rückgang der Leistungserbringung folglich nur stark zeitverzögert auf den Praxiskonten bemerkbar macht, steuern viele Praxen unseres Erachtens aktuell auf eine signifikante Liquiditätslücke insbesondere in den Sommer- und Herbstmonaten zu. Dies ist insbesondere deshalb trügerisch, da der erste Schock im Praxisalltag mittlerweile weitgehend verdaut ist und nunmehr eine gewisse Normalität zurückkehrt. Wer als Praxisinhaber aber glaubt, das Schlimmste bereits überstanden zu haben, der kann sich gewaltig irren.

Der von der Bundesregierung kürzlich verabschiedete Schutzschirm für Zahnärzte wird an dieser Situation nur sehr wenig ändern, da er die wirtschaftlichen Effekte lediglich zeitlich nach hinten schiebt, konkret in die Jahre 2021 und 2022, und dies auch nur für den GKV-Anteil.

Da bis zur Bereitstellung eines effektiven Impfschutzes außerdem die Gefahr weiterer Infektionswellen besteht, wird sich die aktuelle Situation Deutschlands Zahnärzteschaft also aller Voraussicht nach bis 2021 oder gar 2022 beschäftigen und noch deutlich länger die Liquiditätssituation der Praxen nachteilig beeinflussen.

Das Pferd nicht von hinten aufzäumen – erste Maßnahmen setzen oft am falschen Ende an!

In Antizipation der oben beschriebenen wirtschaftlichen Schäden haben die meisten Praxen sehr schnell einige Gegenmaßnahmen ergriffen. Hierbei zeichnet sich allerdings ab, dass die Wahl der ergriffenen Maßnahmen stärker durch die Berichterstattung der Tagesmedien beeinflusst ist, als durch die individuellen Bedürfnisse der Praxen.

Laut einer Studie der apobank vom 30. April sind etwa staatliche Hilfen die häufigsten Sofortmaßnahmen. Demnach haben 27 Prozent der befragten Arzt- und Zahnarztpraxen als Sofortmaßnahme aufgrund des rückläufigen Patientenaufkommens bereits Kurzarbeit angemeldet, bei weiteren 29 Prozent ist dieser Schritt bereits in Planung oder in der Zukunft denkbar. Daneben haben elf Prozent bereits staatliche Unterstützung beantragt, knapp jeder Zweite hat sich mit diesem Gedanken auseinandergesetzt. Um den Praxisbetrieb in diesen Zeiten weiter zu gewährleisten, greifen vielen Praxen außerdem auf Eigenmittel zurück: 46 Prozent haben bereits Privatvermögen umgeschichtet oder wollen auf diese Option in Zukunft ausweichen.

Im Ergebnis haben die meisten Praxen Maßnahmen ergriffen, die zwar die kurzfristige Sicherstellung der Solvenz und Überlebensfähigkeit erlauben, jedoch keine nachhaltige Strategie zur Bewältigung der Krise darstellen:

  • Die staatlichen Soforthilfen sind ein einmaliger Zuschuss und selbst dieser dürfte vielen Praxen aufgrund der aktuell noch guten Liquidität nach den strengen Voraussetzungen nicht zustehen. Hier droht einigen Praxen eine Rückzahlung, um Subventionsbetrug zu vermeiden. Anderen Praxen werden die ausgezahlten Beträge jedoch bei weitem nicht reichen, um die Überlebensfähigkeit zu sichern.
  • Die Einführung von Kurzarbeit ist ein probates Mittel, um kurzfristig Kosten zu senken. Wenn die Patienten vermehrt zurück in die Praxen kehren, muss sie jedoch zurückgefahren werden. Außerdem belastet sie das Praxisteam finanziell und emotional.
  • Die starke Reduzierung des Materialeinkaufs, ein Mittel das alle Praxen genutzt haben dürften, ist ähnlich zur Kurzarbeit kurzfristig liquiditätsschonend, wird die Praxen aber mit wieder ansteigenden Patientenzahlen einholen.
  • Die Ausweitung des Überziehungsrahmens des Praxis- oder Privatkontos ist immer die teuerste Art der Finanzierung und sollte strikt minimiert oder nur sehr kurzzeitig verwendet werden.
  • Das Einschießen von Eigenmitteln ist ebenfalls nur vereinzelt möglich und keine nachhaltig tragfähige Lösung für den / die PraxisinhaberIn.
  • Gleiches gilt für die Stundung von Steuern und Sozialabgaben. Zum einen kann diese nur stunden, wer sie überhaupt in erheblichem Maße zahlen muss (bei Kurzarbeit z.B. nicht der Fall für Sozialabgaben), zum anderen sind die Stundungen nur für wenige Monate möglich (Steuern bis Jahresende, Sozialabgaben bis einschl. Mai).

Wenig bis keine Beachtung finden bisher geordnete und nachhaltige Ansätze, die mit einer strukturierten Erfassung des Status-quo beginnen und darauf basierend finanzielle und operative Maßnahmen ergreifen die geeignet sind, die jetzige Situation UND ihre Folgeeffekte in den kommenden Monaten und Jahren zu überstehen.

Dies ist insofern überraschend, da es seitens der EU, des Bundes und der Länder Sicherungs- und Finanzierungszusagen im drei- bis vierstelligen Milliardenbereich gibt und da die EZB weiterhin eine Politik des billigen Gelds fährt. Kapital ist also über die privaten und staatlichen Kreditinstitute in ausreichendem Maße und zu historisch günstigen Konditionen verfügbar.

Ebenfalls wenig beachtet wird die Chance, die einer jeden Krise innewohnt. Selbst wenn die Krise in einigen Monaten hoffentlich hinter uns liegt, befinden wir uns in einer neuen Situation, einem „new normal“. Eine Rückkehr zur Situation vor der Krise wird es nicht geben. Wer jetzt auch strukturelle Maßnahmen ergreift kann sich besonders gut auf die neue Situation einstellen, somit gestärkt aus der Krise hervor gehen und auch nach der Krise von den Verbesserungen profitieren.

Wir können uns jetzt nur selbst helfen!

Bis hierhin lässt sich also festhalten, dass vielen Praxen das genaue Ausmaß der finanziellen Einbußen ebenso wenig bekannt ist, wie der Zeitraum in dem sich diese materialisieren werden. Durch die weitere Lockerung der Geld- und Fiskalpolitik mangelt es nicht an der Verfügbarkeit von Geld, die Praxen rufen dieses aber aufgrund der mangelnden Transparenz eben nicht zielgerichtet und strategisch sinnvoll ab. Ebenfalls haben die wenigsten Praxen bisher strukturelle Maßnahmen ergriffen, um sich ideal für das „new normal“ aufzustellen.

Der Grund hierfür dürfte zum einen in mangelnden Problembewusstsein liegen, da die komplexen zeitlichen Zusammenhänge zwischen Leistungserbringung und Mittelzufluss intuitiv nicht zu erfassen sind und viele Praxen schon jetzt keinen Überblick mehr haben, welche ausgabenseitigen Maßnahmen sie wann wieder einholen werden (z.B. Stundungen). Zum anderen dürfte eine schlechte initiale Beratung (z.B. provisionsgetrieben, von der zahnärztlichen Realität zu weit entfernt, branchenfremd), der mediale Fokus auf bestimmte Maßnahmen, die bange Hoffnung auf einen staatlichen Rettungsschirm und die mangelnde Erfahrung vieler Praxisinhaber mit solchen Themen die bisherigen Handlungen geleitet haben.

Von staatlicher Seite wird nach jetzigem Kenntnisstand keine weitere Hilfe zu erwarten sein. Hier wird seitens des BMF scheinbar davon ausgegangen, dass „nach dem Ende der COVID-19-Epidemie im vertragszahnärztlichen Bereich erhebliche Nachholeffekte zu erwarten sind“. Ich kann mich der Einschätzung des BMF nicht anschließen: Von signifikanten Nachholeffekten im vertragszahnärztlichen Bereich kann meines Erachtens nicht oder nur sehr begrenzt ausgegangen werden. Zum einen arbeiten viele Praxen aufgrund des Personalmangels seit Jahren nahe der Kapazitätsgrenze. Die im Zuge der Coronavirus-Pandemie notwendigen hygienischen und organisatorischen Maßnahmen stellen eine zusätzliche Belastung für das Praxisteam dar. Aufgrund der anhaltend knappen Personaldecke und durch die Abhängigkeit vom Inhaber und wenigen angestellten Leistungserbringern ist daher eher von einem Kapazitätsrückgang in den Praxen auszugehen. Viele Praxen werden daher nicht in der Lage sein, solche Nachholeffekte angebotsseitig darzustellen.

Zum anderen kann nachfrageseitig davon ausgegangen werden, dass viele Behandlungen wie etwa Verdachts- und Routinekontrollen oder Zahnreinigungen nicht nachgeholt werden. Andere Behandlungen werden aufgrund der eingetrübten wirtschaftlichen Lage, der Sorge um den eigenen Arbeitsplatz oder der Gehaltseinbußen durch Kurzarbeitergeld kleiner oder günstiger ausfallen, als dies vor dem Eintreten der Pandemie noch der Fall gewesen wäre. Ich gehe daher nicht von einem Aufholen der bisherigen Verluste aus und befürchte eher ein „new normal“ auf einem Leistungsniveau unterhalb der Werte von 2019.

Eigeninitiative und Kooperation – die Schlüssel zur Lösung der wirtschaftlichen Herausforderungen.

Fest steht:

  • Die Zahnärzteschaft hat bereits einen signifikanten wirtschaftlichen Schaden erlitten, dessen tatsächliche Höhe erst in vielen Monaten feststeht und dessen Kompensation für viele Praxen einige Jahre dauern wird
  • Nicht rückzahlbare staatliche Hilfen wird es aller Voraussicht nach keine Weiteren geben
  • Folglich kann man sich aktuell nur auf sein eigenes Handeln und auf gemeinsame Maßnahmen der Zahnärzteschaft verlassen!

Den Zahnärztinnen und Zahnärzten stehen dabei meines Erachtens im Wesentlichen zwei Mechanismen zur Verfügung, um den eintretenden Schaden zu kompensieren:

1) Einleitung operativer Maßnahmen und Optimierungen 

Operative Maßnahmen und Optimierungen in der Praxis sollten immer das ertse Mittel der Wahl sein. Sie liegen in unseren eigenen Händen, lassen sich zeitnah umsetzen, wirken nachhaltig und kosten oft wenig oder kein Geld. 

Wir sollten uns hierbei von zwei Zielen leiten lassen:

(a) die Umsatzbasis bestmöglich verteidigen

(b) die Kostenbasis bestmöglich reduzieren

2) Aufnahme eines sinnvollen Überbrückungskredites

Sofern der Schaden mit operativen Maßnahmen und Rücklagen der Praxis nicht vollständig kompensiert werden kann, ist die Aufnahme eines richtig dimensionierten Überbrückungskredites mit passender Laufzeit oftmals die kostengünstigste Möglichkeit die verbliebene Lücke zu schließen. Diese Mittel müssen selbstverständlich zurückgezahlt werden, sind mit Zinskosten verbunden und daher immer nur das zweite Mittel der Wahl. Gleichwohl sind die Zinssätze glücklicherweise nach wie vor nahe den historischen Tiefstständen, was die Finanzierung günstig hält. Ein günstiger Überbrückungskredit für die Praxis ist daher oft der Auflösung der eisernen privaten Reserven vorzuziehen. Das gilt vor allem auch deshalb, weil es sich empfiehlt immer eine ausreichend dimensionierte Liquiditätsreserve für unerwartete Ereignisse und Rückschläge (zweite Pandemiewelle, längerer krankheitsbedingter Ausfall der Inhaber) vorzuhalten.

Im Ergebnis ist es daher jetzt an jeder einzelnen Praxisinhaberin und jedem Praxisinhaber, sich selbst mit entschiedenem Handeln aus der Situation zu befreien. Sofern benötigt, ist Geld günstig und in ausreichendem Maße vorhanden, sie / er muss es jetzt sinnvoll beschaffen und die Praxis dann für die Zukunft aufstellen.

Für die Einleitung der operativen Maßnahmen und die strukturelle Neuaufstellung der Praxen bedarf es (i) einer eingehenden Analyse, (ii) sinnvoller Tools und (iii) klarer Entscheidungen.

Für die richtige Beschaffung des benötigten Geldes bedarf es im Vorfeld ebenfalls (i) einer genauen Analyse mittels detaillierter Liquiditätsplanung und (ii) einer guten Ableitung der richtigen Mittel (richtige Höhe, sinnvolle Laufzeiten, beste Konditionen).

In beiden Fällen sollten Praxisinhaberinnen sich auf unabhängige Berater verlassen, die nur auf Honorarbasis und somit frei von Interessenkonflikten beraten und handeln. Um keine Abhängigkeiten entstehen zu lassen und stets handlungsfähig zu bleiben, empfiehlt sich meines Erachtens außerdem spätestens jetzt eine proaktive Beschäftigung mit den betriebswirtschaftlichen Themen der Praxis und eine Bereitschaft, die Unternehmerrolle als Praxisinhaber anzunehmen. Dafür eigenen sich flankierende und oftmals kostenfreie oder kostengünstig Angebote wie Podcasts, Webinare, Videoschulungen und, sobald wieder möglich, Präsenzfortbildungen.

Als Hilfestellung zur Ermittlung Ihrer Liquidität sowie zur weiteren Planung, können Sie unsere Liqui-Check-Tabelle hier kostenfrei und unverbindlich anfordern. Bei Fragen kontaktieren Sie mich gerne jederzeit.


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