Wo ist mein Geld? Transparenz in der Praxisliquidität von der Leistungserbringung bis zum geflossenen Umsatz

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Wo ist mein Geld? Transparenz in der Praxisliquidität von der Leistungserbringung bis zum geflossenen Umsatz

In Beratungsgesprächen fällt uns immer wieder auf, dass Praxen aus der Leistungsstatistik auf ihre Liquidität schließen wollen, oder anders gesagt: Man fragt sich, wieso trotzt hohem Patientenaufkommen der Kontostand so bescheiden ist. Wenn also offensichtlich genug Geld verdient wird – wo ist es dann?

Auf dem Weg von der Leistungserbringung bis zum Kontostand haben nicht dokumentierte, nicht abgerechnete oder nicht vereinnahmte Honorarerlöse sowie Ausgaben, zeitliche Verschiebungen und weitere beeinflussende Faktoren negative Auswirkungen auf die Liquidität.

Gerade in der aktuellen Situation ist Liquidität das hervorstechende Thema – denn dass der Lockdown ab Ende März zunächst massive Rückgänge in den Patientenzahlen verursacht hat, wurde sicher von jeder Praxis wahrgenommen. Welche Auswirkungen dies jedoch auf die Liquiditätsentwicklung hat und wann, wollen wir in einer Reihe von Artikeln darstellen.

Zunächst stellen wir uns die Frage, welchen Weg das Geld von der Leistungserbringung bis zum geflossenen Umsatz zurücklegt. Dabei legen wir den Fokus auf betriebswirtschaftliche und operative Optimierungen und auf die Transparenz der Zusammenhänge.

Leistungserbringung – Das findet man nicht in der Buchhaltung

Im Gegensatz zu bilanzierenden Wirtschaftsunternehmen finden Zahnarztpraxen (wie die Angehörigen der anderen freien Berufe auch) als Einnahmenüberschussrechner Informationen über ihre erbrachten Leistung nicht in der Buchhaltung, sondern lediglich in der Leistungsstatistik der Praxisverwaltungssoftware. Und diese Aufzeichnungen sind sogar sehr differenziert: Wer hat wann und wo welche Leistungen an welchem Patienten erbracht?

Um bei Umsatzrückgang die Auswirkungen einschätzen zu können, ist es wichtig, dass Praxisinhaber die Zusammensetzung der Leistungserbringung ihrer Praxen kennen. Also: Welche Rolle spielen Kassenanteile und Privatanteile in meiner Gesamtleistung und wie verteilt sich diese auf die verschiedenen Leistungsarten? Wie ist die Relation der PKV- zu GKV-Versicherten und welchen Leistungsumsatz macht die Praxis über Zuzahlungen mit den GKV-Versicherten?

Je nach Art oder Ursache der „Umsatzstörung“ kann dann recherchiert und hochgerechnet werden, wie hoch der Rückgang bei Umsatz, Gewinn und Liquidität ausfallen wird und wann dieser eintritt.

Was nicht dokumentiert wird, ist bereits verloren

Kürzlich haben wir im Rahmen unseres Podcasts „Aufgebohrt“ als Gast die Abrechnungsexpertin der ZA, Regina Granz, begrüßen dürfen. Sie hat eindrucksvoll geschildert, wie leicht ein zeitlicher Verzug der Leistungsdokumentation nach einer Behandlung zu Umsatzausfällen führen kann. Es ist eine Selbstverständlichkeit, aber: Was nicht dokumentiert wird, wird nicht abgerechnet und fließt somit nie!

Im Idealfall ist die Dokumentation als Prozess in der Praxis klar geregelt, so dass bei Kassenpatienten bereits im Vorfeld zum Termin eine Mehrkostenvereinbarung getroffen wird, sofern eine Zuzahlung notwendig ist, die Dokumentation erbrachter Leistungen während oder unverzüglich nach der Behandlung erfolgt und hierfür auf moderne Software zugegriffen wird. Auch mit den angestellten Zahnärzten muss dieses Vorgehen vereinbart werden, gegebenenfalls führt der Praxisinhaber auch Kontrollen durch.

Dokumentierten Umsatz zeitnah abrechnen

Gut dokumentierte Umsätze führen zu Einnahmen - leider aber sehr zeitversetzt. GKV-Leistungen werden je nach Leistungsart um einen halben Monat bzw. bei der quartalsweisen Abrechnung der Leistungen aus den Bereichen KCH und KFO sogar um zwei Monate verzögert abgerechnet. Leider besteht hier keine Möglichkeit der Beeinflussung.

Um so wichtiger ist es, Privatanteile so kurzfristig wie möglich abzurechnen. Oft wird erst mehrere Wochen oder gar Monate nach der Behandlung abgerechnet. Und das wirkt sich auf die Zahlungsbereitschaft der Patienten nachteilig aus. Leistungen mit Zahlung müssen nicht notwendigerweise zum Zeitpunkt der GKV-Abrechnung fakturiert werden, sondern Rechnungen können individuell und kurfristig, eventuell auch durch persönliche Mitgabe vor Verlassen der Praxis an den Patienten übermittelt werden.

Jeder Zeitversatz birgt Ausfallrisiken. Möglicher Verlust droht z.B. durch Ableben eines Patienten vor Abrechnung, durch eintreten einer Zahlungsunfähigkeit oder dadruch, dass Abrechnungsmitarbeiter nicht mehr zur Verfügung stehen (Schwangerschaft, Krankheit, Weggang).

Basierend auf unseren Auswertungen schätzen wir, dass bis zu 5% der erbrachten und dokumentierten Leistungen nie abgerechnet werden! Die Kosten für diese Leistungen sind aber entstanden und müssen von der Praxis getragen werden. So können sich regelmäßig nicht berechnete kleine Leistungen über die Zeit zu einem Ausfall im sechsstelligen Bereich summieren.

Abgerechneter Umsatz wird geflossener Gesamtumsatz!

Liquidität entsteht nur aus bezahlten Rechnungen. Auf den Zufluss der GKV-Zahlungen hat die Praxis zeitlich keinen Einfluss. Dafür sind sie jedoch zeitlich und in ihrer Höhe weitgehend sicher und planbar. Mögliche Verluste bei GKV-Anteilen liegen in der Budgetierung, Degression und weiteren Größen wie HVM-Kontingentgrenzen oder Überschreitung degressionsfreier Punktmengen je Vertragszahnarzt. 

Die Realisierung der Privatanteile stellt sich schwieriger dar. Privatanteile werden von den Patienten im Schnitt ca einen Monat nach Rechnungsstellung gezahlt! Allerdings ist das stark von Patientenstruktur, Versicherungsart und der Praxislage abhängig. Beim Privatanteil lauern Risiken wie Zahlungsausfall des Patienten, Unzufriedenheit, Streit über Erfolg oder Nichterfolg der Behandlung und ähnliches. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines effizienten Offenen-Posten-Managements. Erstaunlich ist, dass hier in vielen Praxen noch immer mit Karteikarten, Ordnern und händischem Abgleich gearbeitet wird. Softwarelösungen die den Import der Patientenzahlungen in die Abrechnungssoftware ermöglichen ersparen hier viel Arbeit und Fehler und führen zu einer Beschleunigung der Prozess und somit zu schnellerem Geldeingang, denn bei gut gepflegtem Zahlungsstatus in der Verwaltungssoftware sind regelmäßige Mahnläufe unproblematisch. Wenn dann noch der Text der Zahlungserinnerung höflich gewählt ist, bleibt die Patientenbeziehung ungestört und der Zahlungsfluss verbessert sich.

Geflossen vs erbracht - Betrachtung der Umsätze unter betriebswirtschaftlichen Aspekten

Wer lediglich seine erbrachten Umsätze in der Praxissoftware betrachtet und die BWA außer Acht lässt, ist gegebenenfalls bei einem Vergleich erschrocken. Zwischen der erbrachten Leistung gemäß Abrechnungssoftware und geflossener Leistung gemäß BWA liegt oft ein großer Unterschied. Das liegt nicht nur an der zeitlichen Verschiebung sondern auch an den oben aufgezeigten "versickerten" Leistungen - was häufig dazu führt, dass der Praxisinhaber der Buchhaltung misstraut. Gefühlt können diese Umsätze so nicht stimmen.

Deshalb hier nochmal der konkrete Hinweis: Die Praxisbuchhaltung zeigt die Umsätze, die erbracht und abgerechnet und bezahlt wurden. Dabei sollte man nach Mittelherkunft (KZV, Patient, Factoringgesellschaft) verbuchen, denn eine weitere Aufdröselung ist in der Buchhaltung nicht sinnvoll. Die Buchhaltung der meisten Zahnarztpraxen spiegelt den Zahlungsfluss (EÜR) wieder und kann für Liquiditätsrechnungen herangezogen werden.

Und nicht alles fließt überhaupt! Denn wenn 5% - 10% vom Behandler nicht dokumentiert, 5% von der Praxis nicht abgerechnet und ca. 5% vom Patienten nicht bezahlt werden, dann lässt sich gut nachvollziehen, dass bereits bei lückenloser Dokumentation und Abrechnung und optimierten Finanzprozessen Umsatzsteigerungen von 15-20% erzielbar sind, ohne auch nur eine einzige weitere Behandlung durchzuführen.

 

Eine weiterführende Diskussion des Themas finden Sie auch in unserer Podcastfolge 011 "Der Weg des Geldes – Von der Leistungserbringung bis zum geflossenen Umsatz" (ebenfalls unten eingebettet).

 

Im zweiten Teil dieser Serie begeben wir uns auf den Weg von den Einnahmen zum Gewinn und behandeln daher die Kostenseite von Zahnarztpraxen im Detail.