Das Reverse-Charge-Verfahren - Vorsicht beim Kauf von Alignern der Firma Align Technology

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Das Reverse-Charge-Verfahren - Vorsicht beim Kauf von Alignern der Firma Align Technology

Patientenrechnungen anpassen und Steuerberater informieren!

Viele Zahnärzt:innen und Kieferorthopäd:innen fühlen sich überrumpelt: Die Firma Align Technology fordert eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer – und plötzlich sind die Praxen sogar verpflichtet, Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Grund ist eine Besonderheit im Umsatzsteuergesetz.

In unseren Mailfächern häufen sich gerade die Anfragen: Vor allem Kieferorthopäd:innen, aber auch viele Zahnärzt:innen sind irritiert. Sie kaufen seit Jahren Invisalign-Schienen von der Schweizer Firma Align Technology. Nun hat das Unternehmen die Praxen aufgefordert, ihre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID) zu schicken – dabei haben die meisten keine solche ID, denn KFO- und Zahnarztpraxen erbringen bekanntermaßen in der Regel keine umsatzsteuerpflichtigen Leistungen. In diesem Fall kommt allerdings eine Ausnahme zum Tragen.

Die Umkehrung der Steuerschuld durch Erwerb von Alignern aus dem EU-Ausland

„Muss ich diese ID wirklich beantragen?“ und: „Wälzt Align Technology hier Kosten auf mich ab?“, sind mit die häufigsten Fragen, die uns derzeit gestellt werden. Kurz beantwortet: Ja, Sie müssen die ID beantragen. Und: Nein, die Firma wälzt keine Kosten auf Sie ab. Es handelt sich vielmehr um eine EU-Vereinbarung im Steuerrecht, den sogenannten innergemeinschaftlichen Erwerb. Dabei kehrt sich die Steuerschuld um – vom Lieferanten zum Bezieher. Anders ausgedrückt: Dem deutschen Fiskus ist es zu aufwendig, von allen ausländischen Unternehmen die Umsatzsteuer einzufordern, daher greift er hilfsweise auf die inländischen Unternehmer zurück.

Da die Firma Align Technology ihre Produktion teilweise von einem Drittland außerhalb der Europäischen Union nach Polen verlagert hat, greift nun der Paragraf 1a im Umsatzsteuergesetz. Kauft eine KFO- oder Zahnarztpraxis in Deutschland die Schienen, die in Polen hergestellt werden, handelt es sich um einen „innergemeinschaftlichen Erwerb“, und das heißt: Nicht derjenige, der das Produkt verkauft, führt die Umsatzsteuer an das deutsche Finanzamt ab, sondern die Kund:innen, die das Produkt erwerben, sind dafür zuständig - und das sind in dem Fall die Praxen.

Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern

Normalerweise läuft es ja so: Sie kaufen für Ihre Praxis Material, zum Beispiel Desinfektionsmittel. Sie erhalten eine Rechnung, auf der der Nettopreis plus die Umsatzsteuer ausgewiesen sind, die Sie in der Gesamtsumme mitbezahlen. Ihr Lieferant führt die Umsatzsteuer an das Finanzamt ab.

Beim innergemeinschaftlichen Erwerb zahlen Sie dem Lieferanten nur den Nettopreis, sind aber verpflichtet, die Umsatzsteuer eigenständig an das Finanzamt abzuführen. Die USt-ID wird benötigt, da diese zwingend auf der Rechnung aufgeführt sein muss. Sie ist sozusagen eine Steuernummer für den grenzüberschreitenden Warenverkehr und kann ganz einfach beim Bundeszentralamt für Steuern beantragt werden.

Erwerbsschwelle: 12.500 Euro – in der Gesamtsumme

Ausgenommen von dieser Pflicht sind Sie nur, wenn Sie unter der „Erwerbsschwelle“ von 12.500 Euro im Jahr bleiben. Das heißt, dass Ihr „innergemeinschaftlicher Erwerb“ nicht diese Summe überschreitet. Wer allerdings Aligner-Schienen kauft, wird sehr schnell über diese Grenze kommen. Zudem ist zu beachten, dass die Gesamtsumme zählt. Falls Sie also ein Röntgengerät im Wert von 10.000 Euro aus dem EU-Ausland beziehen, müssten Sie noch nicht zwangsläufig Umsatzsteuer abführen. Bestellen Sie aber außerdem noch Aligner-Schienen, so wird die Umsatzsteuer auf die Summe aller erworbenen Produkte fällig.

Wer für seine Praxis übrigens Google AdWords nutzt oder Facebook, steht vor einem ähnlichen Problem der „umgekehrten Steuerschuld“. Beim sogenannten Reverse Charge Verfahren nach §13b des Umsatzsteuergesetzes müssen Sie auch für Dienstleistungen aus dem EU-Ausland Umsatzsteuer abführen. Sprechen Sie dazu am besten Ihr Steuerbüro an!

Wir empfehlen Ihnen, immer eine USt-ID zu beantragen und anzugeben, weil die Umsetzung und Überwachung der Erwerbsschwelle ansonsten zu aufwendig wird und Ihnen bei korrekter Umsetzung kein steuerlicher Nachteil entsteht.

Was Sie unbedingt beachten sollten

Wichtig für Sie ist, dass Sie die Umsatzsteuer, die Sie an das Finanzamt abführen müssen, auf die Patientenrechnungen aufschlagen! Sonst zahlen Sie eine Umsatzsteuer, die Sie selbst nie eingenommen haben. Schließlich ist die Umsatzsteuer in Firmen immer ein durchlaufender Posten: Der Endverbraucher zahlt sie – für das Brötchen beim Bäcker genauso wie im Kino oder bei jeder Handwerkerleistung. Die Unternehmen, die umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausüben, ziehen sie nur ein und führen sie ans Finanzamt ab.

Achten Sie außerdem auf Ihre Liquidität: Für die meisten Kieferorthopäd:innen und viele Zahnärzt:innen wird die Umsatzsteuer mit der Jahresanmeldung im Folgejahr fällig. Viele haben das nicht auf dem Schirm und sehen sich dann plötzlich mit einer Steuerzahlung von mehreren Tausend Euro konfrontiert. Bilden Sie hierfür übers Jahr unbedingt Rücklagen. Wenn der Vorgang in der Buchhaltung beim Steuerbüro oder in solvi flow korrekt umgesetzt wird, dann finden Sie dort immer die Steuer, welche Sie noch abführen müssen.  Sprechen Sie uns dazu gerne an!

Im Controlling sorgt diese Jahreszahlung für eine Verzerrung in den Zahlen: In den Einnahmen taucht die Umsatzsteuer auf, die aber im nächsten Jahr als Kosten abgeführt werden. Dieser Betrag fehlt also ab Juli 2022 in dem Posten Fremdlabor. Im nächsten Jahr wird die Zahlung an das Finanzamt bei den Steuerzahlungen ausgewiesen, dabei handelt es sich eigentlich um Fremdlaborkosten des Vorjahres. Auch das sollte man bei der Analyse der Praxisfinanzen im Blick behalten.


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